So, jetzt geht es mal mit dem Bruder weiter. Zu dem Bruder findet sich nur eine kurze Bemerkung in den Akten der Reichskanzlei (Seite 005) mit dem Text:
"Während der Untersuchungshaft des Unruh baute sein Bruder Hans in seinem Auftrage einen Apparat, um damit den Nachweis zu führen, dass der Apparat seines Bruders kein Schwindel sei und seinem Bruder damit im Strafprozess zu helfen".
Das muss also irgendwann zwischen 1922 und Mai 1925 geschehen sein, wahrscheinlich etwas vorher. Danach taucht der Name im Zusammenhang mit dem Stromerzeuger in den Akten nicht mehr auf. Als wenn Hans Unruh sich in Luft aufgelöst hätte. Das war aber nicht so, er hat nur sein Arbeitsgebiet verlagert.
Zu dem Bruder Hans von Unruh gibt es eine umfangreiche Akte im Bayrischen Hauptstaatsarchiv MJU13261, Prozessakte 1925/26. Die Akte liegt mir vor, Ich bin nur nicht sonderlich glücklich mit den Bedingungen, unter denen ich diese Veröffentlichen darf (im Prinzip ist das aber erlaubt), deshalb werde ich hier nur die wesentlichen Punkte dieser Akte beschreiben, ohne zu veröffentlichen. Und letzlich geht es dabei (fast) nicht um den Stromerzeuger, sondern um etwas anderes. Die Akte selbst umfasst ca. 100 Seiten und liest sich ähnlich wie die Akte der Reichskanzlei.
Wer interesse hat, kann sich ein Original dort bestellen, das ist gar nicht so teuer. Man kann die Akten auch einfach einsehen, das ist dann - soweit ich weiß - kostenlos.
Den ersten Satz aus der Akte muss ich jedoch gleich mal direkt zitieren:
"Der Kaufmann Hans Unruh in Berlin behauptet, ein Verfahren entdeckt zu haben, durch welches man durch Kali-Salze Gold herstellen kann. Da die ersten Versuche von 2 Berliner Professoren günstig beurteilt wurden, wusste er auch in Bayern hochstehende Persönlichkeiten (...) für die Erfindung zu interessieren..."
Eine kurze Zusammenfassung der Geschehnisse um Hans Unruh hält Google für uns bereits, der Link findet sich hier:
Franz Tausend
(Seiten 90-94)
Da wird das wesentliche aus der Akte gut beschrieben (kein Wunder, die Akte wird ja als Quelle zitiert). Falls der Link irgendwann nicht mehr verfügbar ist, beschreibe ich mal kurz hier den Inhalt:
- Hans Unruh wurde am 12.04.1890 in Strahlsund geboren
- Er hat vorgegeben Gold aus Salz und Strom herstellen zu können
- Deshalb wurde er im Mai 1926 wegen Betruges verhaftet.
- Er sagt aus, dass er im Krieg Flugzeugführer war und abgeschossen wurde
- Er hat einen Zwillingsbruder Will
- Nach der Festnahme von Willi Unruh befasste er sich mit der weiteren Konstruktion des Stromerzeugers. Hierfür hat er 200000MK erhalten.
- Im Herbst 1924 will er erstmalig auf die Idee gekommen zu sein, Gold herzustellen
- In der Folge hat er insgesamt mit Vorführungen des "Goldmachens" 7 Personen um Geld betrogen
- Im April 1925 konnte er Friedrich Minoux vom "Goldmachen" überzeugen und erhielt von ihm 50.000MK
- Er behauptete, dass der Stromerzeuger seine Erfindung war und die Reichsleitung dafür 50 Millionen bewilligt hatte
- In der U-Haft sollte er unter kontrollierten Bedingungen seine Kunst vorführen, jedoch musste er zuvor alle Kleidung wechseln.
- In seiner Jacke eingenäht fanden sich Goldkörner, Goldherstellung gelang ihm offensichtlich unter diesen Bedingungen nicht
- In der weiteren U-Haft war Unruh dann geständig. Er wurde am 20.Juli 1926 zu wegen Betrug zu 4 Jahren und 8 Monate Gefängnis verurteilt.
Sein Geburtsort und das Datum zeigen, dass er nicht der Bruder von Willi Unruh (und dann auch nicht Zwillingsbruder) sein kann. Warum er es trotzdem behauptet, ist mir ein Rätsel . Meine obligatrorische Suche in den Adressbeständen von Berlin ergab ja auch keinen Hinweis auf einen Hans Unruh. Er bleibt mysteriös. So mysteriös, dass ich schon überlegt habe, ob Hans Unruh und Willi Unruh nicht möglichwerweise die gleichen Personen sind. Das musste ich aber verwerfen, weil im Mai 1925 beide gleichzeitig im Gefängnis gesessen haben. Eine andere Überlegung war, ob es möglich ist, dass Hans Unruh eine "Kunstperson", bestehend aus "Hans" Coler und Willi "Unruh" war, aber auch dass musste ich verwerfen, da Hans Coler im Mai 1925 ganz schön aktiv war. Also, ich kann das nicht klären.
Möglicherweise gibt es hier aber eine Erklärung, woher die drei (2xHans und 1xWilli) sich eigentlich kannten. Hans Unruh soll ja Flugzeugführer gewesen sein und Hans Coler hat Flugzeuge konstruiert. Könnte schon sein, dass hier die Verbindung vorliegt.
Was jetzt nicht so richtig in der Beschreibung herauskommt, ist, wie eigentlich genau die Anklage lautet, deshalb hier die Anklageschrift als Zitat:
"Die Beschuldigten sind hinreichend verdächtig:
1.) Unruh in 7 selbstständigen Fällen
2.) Krusenbaum in zwei selbsständigen Fällen
in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines Andren durch Vorspiegelung falscher und unterdrückung wahrer Tatsachen und dadurch bewirkte Irrtumserregung beschädigt zu haben"
Man kann hier erkennen, unter welchen Bedingungen eine solche Anklage zum Erfolg führen kann, und wann vermutlich nicht. Deshalb jetzt mal meine Interpretation, warum z.B. Hans Coler nie verhaftet wurde (aber das ist alles nur eine Möglichkeit und muss keinesfalls der Wahrheit entsprechen):
In dieser Anklageschrift wird explizit erwähnt, dass eine "vorspiegelung falscher Tatsachen und unterdrückung wahrer Tatsachen" vorliegt. Das ist in diesem Fall einfach, weil Hans Unruh ja geständig war. Wenn er nicht geständig gewesen wäre, hätte man ihm nachweisen müssen, dass er in Täuschungsabsicht handelt. Die Probleme, die zu den Verhaftungen von Willi und Hans Unruhe geführt haben waren somit:
1) Sie haben irgend jemandem Geld abgenommen und das für nicht vereinbarte Zwecke ausgegeben
2) Sie haben absichtlich vorgetäuscht, daß ihre Geräte funktionieren.
Wenn diese beiden Punkte also umgangen werden könnten, kann man sich vor einer Anklage möglicherweise entziehen. Es ist deshalb vielleicht kein Zufall, dass Hans Coler immer wieder darauf hinweist, dass er nicht erklären kann, wie der Apparat funktioniert (dadurch könnte die Täuschung entfallen). Gut machen sich dann natürlich auch Gutachten von Professoren (wenn die schon sagen, dass es eine Stromvermehrung gibt, wer bin ich denn, dass ich dem widersprechen soll ?)
Und wenn das Geld immer nur so verwendet wird, wie es vereinbart wurde, also auch für den Lebensunterhalt vereinbart wurde, damit man am Stromerzeuger weiterarbeiten kann, ist dies kein Betrug, wenn sich heraustellt, dass der Stromerzeuger nach jahrelanger Arbeit nicht funktionieren sollte.
Ich werde dann noch einmal ein paar Passagen verfollständigen, die in dem Buch nur wenig angesprochen wurden. Da ist zunächst mal die Liste der Geschädigten. Dabei handelt es sich im wesentlichen um:
Friederich Minoux (den kennen wir doch schon), gab ein Darlehen über 50000 MK am 04.04.1925 sowie einige Personen der "Nitor-Studiengesellschaft", die eigens zu dem Zweck gegründet wurde, das "Goldmachen" wirtschaftlich auszubeuten. Von dieser Gesellschaft erhielt Hans Unruh 27.000 MK. Weiterhin gab es noch eine ganze Reihe kleinerer Summen, die ihm zugekommen sind.
Ich bin mir nicht sicher, ob die Liste komplett war, da es sich bei den Geschädigten auch um Personen aus der Politik handeln soll. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß diese dann keine Anzeige erstattet haben, um nicht ins Gerede zu kommen.
Pratkisch alle wurden dadurch geschädigt, dass Sie Hans Unruh geld gegeben haben, um Teilhaber entweder der Firma zu werden, die die "Goldgewinnung" kommerziell betreibt, oder, um Teilhaber einer Firma für Künstdünger zu werden, die Hans Unruh mit den Erträgen der Goldgewinnung gründen wollte.
Weiterhin gibt es es noch folgendes Zitat, was aber im Prozess keine Rolle spielte, da es dort ums "Goldmachen" ging:
"Sein Zwillingsbruder Willi wollte eine Maschine zur Erzeugung elektrischen Stromes auf neue Art erfunden haben und wurde aus diesem Anlass in eine Strafverfahren wegen Betrugs verwickelt und auch verurteilt.Nach der Festnahme des Willi Unruh befasste sich Hans Unruh mit der weiteren Konstruktion dieser Elektrizitätsmaschine. Seinen Lebensunterhalt bestritt er aus einer Summe von 200.000MK, die ihm durch Vermittlung Krusenbaums der Kaufmann Max Gröning,in Rücksicht auf diesen Stromerzugungsappart zur Verfügung gestellt hatte."
Leider taucht in dieser Aktensammlung auch Hans Coler kurz auf. Hierzu das Zitat aus den Vernehmungsprotokollen:
"Unruh kehrte nach München zurück und operierte bei den weiteren Verhandlungen am 7.7.1925 mit dem in Abschrift bei Blatt 409 befindlichen Telegramms Cohlers, wonach die Reichsleitung auf den Stromerzeugungsapparat 50 Millionen Mark bewilligt habe. Auch dieses Telegramm war offensichtlich bestellte Fälschung".
Am 7.7.1925 also. Da gab es natürlich noch überhaupt kein Abkommen, sondern nur den Vertragsentwurf von Friedrich Minoux.
Sehen wir uns die Zeitleiste hierzu mal an:
02.04.1925: Minoux kommt mit Hans Unruh wg. "Goldmachen" zusammen (Willi Unruh war zu der Zeit noch im Gefängnis)
04.04.1925: Hans Unruh erhält 50000MK von Minoux
25.05.1925: Anschreiben von Notar Beyer wg. Stromerzeuger an Reichskanzlei.
30.06.1925: Minoux erstellt den Vertragsentwurf zum Stromerzeuger
01.07.1925: Hans Unruh erhält 3000MK von Minoux
07.07.1925: (oder vorher) Hans Coler schickt an Hans Unruh ein Telegramm, in dem er ihn mitteilet, dass 50 Millionen bewilligt wurden.
11.07.1925: Das "Goldmachen wird durch Professor Güttler im Auftrag der Nitor-Studiengesellschaft nachgeprüft (das Ergebnis fiel positiv aus, jedoch bemerkte Professor Güttler, das er noch eine abschließende Untersuchung machen müsste, zu der des dann aber nicht mehr kam).
27.07.1925: Hans Unruh führt in Stuttgart "Goldmachen" vor
17.08.1925: Beginn des Gutachtens der TU Berlin zum Stromerzeuger (Grüneisen und Schering)
14.09.1925: Erste Prüfung von Niggel und Landgraf (zwei Mitglieder der Studiengesellschaft und offensichtlich Professoren). Diese Prüfung fällt positiv aus, ist aber nicht vollständig.
11.10.1925: Nachprüfung des Goldmachens durch Niggel und Landgraf (diese Nachprüfung fällt dann negativ aus)
27.10.1925: Verhaftung Hans Unruh
11.11.1925: Untersuchung des "Goldmachens" in der TU Berlin, endete mit dem Betrugsvorwurf
22.01.1926: Beschwerde von Minoux, dass das Gutachten über den Stromerzeuger aus der Hand gegeben wurde (noch in der Akte der Reichskanzlei)
03.03.1926: Gutachen Kloss/Franke (aus BIOS-Bericht)
20.03.1926: Gutachten Schumann (aus BIOS-Bericht)
05.1926: Anklageeröffnung gegen Hans Unruh / Verurteilung
06.1026: Entlassung Willi Unruh
1929: Entlassung Hans Unruh
Ich find das ganz schön heftig. Ich glaube, ich würde keinem von den Herren mein Geld anvertrauen. Vor allem auch noch vor dem Hintergrund, dass Minoux selbst später wg. Betrug verurteilt wurde. Auch Hans Coler kommt dabei nicht gut weg. Ist doch zumindest klar, dass er mit Hans Unruh mit dem Telegramm gemeinsame Sache gemacht hat.
Fortsetzung folgt..