But it remains a valid research question: can the proposed model be of some value for the synthesis of working prototypes, or is there something fundamentally wrong with it?
Letzteres trifft zu. Der angebliche Energieüberschuss beruht auf einem Fehler, den Asterix, Rudi und ich inzwischen eindeutig nachweisen konnten. Eine von Asterix geschriebene Simulation liefert mit diesem Fehler genau die gleichen Ergebnisse wie im Paper von Duarte (was zeigt, dass die Modellierung übereinstimmt), und ohne diesen Fehler -- wie zu erwarten war -- keinen Energieüberschuss mehr.
Das betrachtete Modell ist anhand des Papers nicht ganz einfach nachzuvollziehen, weshalb ich dazu die folgende Grafik erstellt habe:
Zur Simulation von Permanentmagneten verwendet Duarte idealisierte (widerstandsfreie) Ringströme, was ein übliches Verfahren für diesen Zweck ist. Das Magnetfeld eines solchen Ringstroms entspricht im wesentlichen dem eines Permanentmagneten. Das Modell beinhaltet einen fest angebrachten "primären" Stator-Ringstrom, und einen beweglichen "sekundären" Rotor-Ringstrom. Das Besondere an diesem Modell ist, dass der Rotor sich nicht nur dreht, sondern sich zusätzlich synchron zur Drehung auch axial ("seitlich") bewegt.
Für seine Betrachtungen verwendet Duarte ein kartesisches Koordinatensystem. Etwas unüblich verwendet er dabei x als vertikale Achse, y als horizontale Achse, und z als Tiefenachse. Bei einigen von Duarte gewählten Bezeichnern besteht Verwechslungsgefahr: Bitte darauf achten, RP und rP, und RS und rS auseinanderzuhalten. Der Ursprung des Koordinatensystems liegt im Zentrum des in der xy-Ebene liegenden Stator-Ringstroms. Die y-Achse verläuft parallel zur Achse des Rotors.
Der Stator-Ringstrom hat den Radius RP von 5 mm, und der Rotor-Ringstrom hat den Radius RS von ebenfalls 5 mm. Die Rotor-Achse hat den radialen Abstand rP von 30 mm vom Stator-Ringstrom und der Radius des Rotors rS beträgt 25 mm. Im Stator-Ringstrom fliesst der konstante Strom IP von -1 A und im Rotor-Ringstrom der konstante Strom IS von 1 A.
In der Ruheposition des Rotors mit dem Drehwinkel ϕ = 0 (der in der obigen Grafik dargestellt ist) hat das Zentrum des Rotor-Ringstroms den axialen ("seitlichen") Abstand A0 von 9,5 mm vom Zentrum des Stator-Ringstroms. Von dieser Position aus oszilliert der Rotor axial synchron zur Drehung um die Strecke AS von 17 mm in beide Richtungen. Aus AS > A0 folgt, dass sich der Rotor während seiner axialen Bewegung am Stator-Ringstrom vorbei bewegt.
Nochmal eine Zusammenfassung der Parameter:
Für die dynamische Position des Zentrums des Rotor-Ringstroms ergibt sich daraus:
xC = rS * sin ϕ
yC = A0 + AS * sin θ, wobei: θ ≡ ϕ
zC = rS * cos ϕ - rP
Zur Berechnung der Kraft zwischen den beiden Ringströmen verwendet Duarte ein Verfahren aus dem folgenden Paper, das er meinem Eindruck nach weitgehend als "Black Box" übernommen hat: "Magnetic Force Between Inclined Circular Loops (Lorentz Approach)" (pdf) von 2012 (Autoren: S. Babic und C. Akyel von der Ecole Polytechnique in Montreal, Kanada).
Dieses Verfahren liefert die Komponenten der Kraft als: Fx, Fy, Fz. Da eine Kraftwirkung auf den Rotor nur tangential und axial möglich ist, berechnet Duarte aus diesen Komponenten eine Zerlegung in eine eine radiale (Fr), eine tangentiale (Fϕ), und eine axiale Komponente (die unverändert Fy entspricht):
Fr = Fx * sin ϕ + Fz * cos ϕ
Fϕ = Fx * cos ϕ - Fz * sin ϕ
Fy = Fy
Die radiale Kraftkomponente hat aufgrund der mechanischen Gegebenheiten keine effektiven Auswirkungen, und ist daher nicht relevant. Für die tangentiale (Fϕ) und die axiale (Fy) Kraftkomponente ergeben sich bei Duarte die folgenden Verläufe:
Da der Gesamtaufbau durch die zusätzliche axiale Bewegung des Rotors nicht mehr symmetrisch ist, ist die Asymmetrie der Kraftverläufe an sich nicht erstaunlich.
Die Energie, die einem Differentialschritt der Drehbewegung des Rotors entspricht, lässt sich aus der tangentialen Kraftkomponente Fϕ über das Drehmoment berechnen:
𝛿Qϕ = Fϕ * rS * 𝛿ϕ
Die Energie, die einem Differentialschritt der axialen Bewegung des Rotors entspricht, lässt sich aus der axialen Kraftkomponente Fy berechnen:
𝛿Qy = Fy * 𝛿y = Fy * AS * cos ϕ * 𝛿ϕ
Integrieren über eine Umdrehung ergibt jeweils:
Qϕ = ∫[0..2π] Fϕ * rS dϕ
Qy = ∫[0..2π] Fy * AS * cos ϕ dϕ
Für die differentiellen Energien ergeben sich bei Duarte daraus die folgenden Verläufe:
Bereits der Anschein lässt vermuten, dass in der Grafik der positive Anteil der Gesamtenergie QΣ den negativen Anteil übersteigt. Konkret berechnet Duarte folgende Energiesummen für eine Umdrehung:
Qϕ = -0,7420 nJ
Qy = 1,0131 nJ
QΣ = 0,2711 nJ
Die Energiesumme der Drehbewegung des Rotors ist also negativ, die der axialen Bewegung positiv. Dagegen wäre nichts einzuwenden, solange die Gesamtsumme Null ergäbe. Bei Duarte ist die Gesamtsumme allerdings deutlich positiv, d.h. seiner Ansicht nach ergibt sich ein Energieüberschuss.
Duarte's Berechnungen nach diesem Modell sind korrekt, und konnten von uns auch genau nachvollzogen werden. Das Modell selbst enthält allerdings einen entscheidenden Fehler, der sich am besten anhand eines im Verhältnis zum Radius des Rotors vergrösserten Ringstroms zeigen lässt:
Duarte addiert alle am Rotor-Ringstrom angreifenden Einzelkräfte, und betrachtet das Zentrum des Ringstroms (Punkt Z) als Angriffspunkt der resultierenden Gesamtkraft am Rotor. Das ist ist äquivalent dazu, als ob alle am Ringstrom angreifenden Einzelkräfte direkt an Punkt Z angreifen würden. Z.B. die an Punkt A des Ringstroms angreifende Kraft F würde bei Duarte so behandelt, als ob es sich um die Kraft F' handeln würde. Tatsächlich wirkt die Kraft F aber so auf den Rotor, als ob Punkt A über den Hebel r1 mit der Rotorachse verbunden wäre (die Hebelkombination A -> Z -> Rotorachse ist äquivalent zu einem Hebel r1).
Um das durch die Kraft F auf den Rotor ausgeübte Drehmoment zu bestimmen, muss sie in eine tangentiale Komponente Ft und eine radiale Komponente Fr zerlegt werden. Nur die tangentiale Komponente beschleunigt oder bremst die Drehung des Rotors. Im gezeigten Beispiel hat F eine wesentliche tangentiale Komponente Ft, die bei Duarte völlig verloren geht, da F' nur eine radiale und keine tangentiale Komponente hat. Das Drehmoment, das die Kraft F auf den Rotor ausübt (im gezeigten Beispiel bremsend), fehlt in Duarte's Berechnungen. Auch der umgekehrte Fall tritt auf. Z.B. liefert die Zerlegung einer rein radialen Kraft an Punkt A (entsprechend Fr) bezogen auf Punkt Z eine tangentiale Komponente, die überhaupt nicht existiert. In Duarte's Berechnungen ergibt sich in diesem Fall ein Phantom-Drehmoment aus einer nicht existierenden Kraftkomponente. Ausserdem wirkt eine Kraft an Punkt A mit einem etwas anderen (längeren) effektiven Hebel -- entsprechend dem Längenunterschied zwischen r1 und r0 -- auf den Rotor als eine Kraft an Punkt Z. Auch dieser Effekt wird bei Duarte nicht berücksichtigt.
Bei einer Simulation, die die Kräfte am Rotor-Ringstrom korrekt berücksichtigt, verschwindet auf wundersame Weise der Energieüberschuss, und die Energiebilanz ergibt Null.
